Wir sollten uns unsere Gefühle nicht vorschreiben lassen



Es sind diese kleinen, unscheinbaren Sätze. Sie fallen uns oft gar nicht mehr auf, wirken im ersten Moment selbstverständlich und werden uns so häufig gesagt. "Stell dich nicht so an!", "Reg dich ab." oder auch "Heul nicht rum."
Warum sie aber gar nicht so harmlos sind und was sie eigentlich bedeuten, davon erzähle ich euch in diesem Beitrag.
Dein Herz beginnt schneller zu schlagen, dein Atem beschleunigt sich, es kommt dir vor, als würde das Blut in deinen Adern kochen - kurzum: Du wirst gerade so richtig wütend. Und dann kommt aus dem Nichts dieser Satz, leicht abschätzig: "Hey, jetzt reg dich doch nicht so auf." Zwei mögliche Szenarien:
1. Dieser Satz macht uns noch wütender (gesunde Reaktion)
2. Wir fressen die Wut in uns hinein.
>>Man will uns kontrollieren<<
Was ist gerade passiert? Uns wurde gerade mitgeteilt, dass unsere Gefühle nicht valide sind. Dass nicht okay oder gerechtfertigt ist, wie wir uns fühlen. Zum einen ist das sehr überheblich, immerhin sind ja es ja unsere eigenen Gefühle, und zum anderen ist es auch das Signal, dass die andere Person uns möglichst kontrollieren möchte.
Es ist nämlich viel schwieriger, eine emotionale Person in Schach zu halten. Wer also dominant sein will und möglichst wenig Aufwand haben möchte, spricht anderen die Gefühle ab. Das ist ein Zeichen von Unsicherheit. Geschieht uns das immer wieder, kann es beeinflussen, wie sehr auch wir selbst unseren Gefühlen vertrauen.
Jedes unserer Gefühle hat eine Funktion - es gibt etwas, das uns bedroht, einschränkt, freut, begeistert und so weiter. Diese Gefühle erfordern unsere Aufmerksamkeit, damit wir uns selbst schützen, entsprechen oder damit umgehen können. Oft habe ich als Kind gehört: "Echte Männer weinen nicht." - auch hier habe ich die Information bekommen, dass es nicht wichtig ist, wie ich die Situation wahrnehme.
>>Auch beim Fotografen: Lach mal!<<
Doch nicht nur negative Gefühle werden von unseren Menschen unterbunden. Auch Begeisterung, lautstarke Freude oder gute Laune machen uns unkontrollierbar. Und wer hasst den Satz beim Fotografen nicht: "LACH MAL!"
Wir sollten uns nicht vorschreiben lassen, wie wir zu fühlen haben. Wenn wir traurig sind, dann brauchen wir Trost oder unsere Ruhe, wenn wir wütend sind oft Zeit oder das Gefühl, gehört zu werden und wenn wir nervös sind, dann kann auch das von einem Menschen co-reguliert werden - statt uns einfach zu sagen, wir sollten uns nicht so anstellen.
Die Gefühle eines Menschen zu akzeptieren und zu respektieren hilft nicht nur der anderen Person, es hilft uns auch selbst, Situationen richtig einzuschätzen und unsere eigenen Gefühle zuzulassen. Das stärkt das Selbstbewusstsein, trainiert Empathie und gibt uns eines der wertvollsten Dinge, die es gibt: Das Gefühl, endlich verstanden zu werden.